Integration geht voran: Erster Flüchtling bei der Feuerwehr. Die Einsatzabteilung der Feuerwehr Groß-Zimmern freut sich sehr über den neuen Kameraden aus dem Iran. Ein Bericht in Zusammenarbeit mit dem Groß-Zimmerner Lokalanzeiger.
Integration der Flüchtlinge findet auch in Vereinen statt. Farhad Nasiri (37) ist der Groß-Zimmerner Feuerwehr beigetreten. Er ist den Kameraden willkommen und die neuen Freunde setzen sich für ihren "Fahrrad" ein. Farhad Nasiri aus Abadan im Iran ist gelernter Löschmeister und Elektriker. Gut 12 Jahre hat er bei Raffinerien in seiner Heimat gearbeitet und parallel kontinuierlich Weiterbildungskurse besucht. Er ist verheiratet, Tochter Farima (7) besucht die Friedensschule. Mit Frau und Kind ist er zu Fuß über die Balkanroute nach Deutschland geflüchtet. "Unser Leben war in Gefahr", begründet er die Entscheidung, möchte jedoch nicht weiter auf die Fluchtgründe eingehen. 15.000 Euro hat das Ehepaar hierfür gezahlt. 45 Tage ging es zu Fuß durch die Türkei, Bulgarien, Ungarn, Serbien und Österreich. "Ich hatte nur eine Tasche dabei. Aber selbst die war irgendwann weg und all unser Geld auch", erinnert er sich. Lediglich die Papiere konnte er retten und die sind ihm sehr wichtig. Nach einem Monat in der Gießener Erstaufnahme kam die Familie nach Groß-Zimmern. Seitdem lernt Farhad intensiv Deutsch. Fast täglich besucht er den Intergrationskurs am Vor- und Nachmittag, zusätzlich lernt er zu Hause übers Internet. Seit gut einem Jahr lebt die Familie in Groß-Zimmern, zunächst wohnten sie in der Gemeinschaftsunterkunft in der Bahnhofstraße. Für diesen recht kurzen Zeitraum ist sein Deutsch hervorragend. "Hier gefällt es uns sehr gut. Die Menschen sind sehr nett und hilfsbereit. Wir wollen hier bleiben", sagt er. Kontakt in den Iran hält die Familie ebenfalls übers Internet, einige Angehörige sind nach Deutschland geflüchtet. Aber an ein Zurück ist nicht zu denken. Entsprechend richtet er den Blick nach vorn. Farhad wartet nicht, dass er aufgefordert oder eingeladen wird. Er ergreift die Initiative, denn nichts ist ihm wichtiger als möglichst bald arbeiten zu können. Ehefrau Somaye (29) spricht noch nicht so gut Deutsch wie er. "Sie muss sich etwas schonen. Sie ist schwanger, im August wird unser Sohn zur Welt kommen", sagt er überglücklich. So bald wird die gelernte Frisörin wohl nicht arbeiten, sondern sich um die Kinder kümmern. "Aber Farima kann schon besser Deutsch als ich", sagt der Vater stolz. Farhad liebt seinen Beruf und will unbedingt wieder zur Feuerwehr. "Im Oktober hat jemand von der Kreisbehörde angerufen und gefragt, ob wir einen gelernten Feuerwehrmann brauchen können", erinnert sich Hauptbrandmeister Marcus Paschke. Gleich am nächsten Donnerstag stand er vor ihm. "Damals konnte er fast kein Deutsch, reichte mir die Hand und sagte: ich habe Fahrrad", erzählt Paschke und beide lachen. Was den Unterschied zwischen haben und sein ausmacht, besonders bei seinem Namen, der sich auf Deutsch anhört wie Fahrrad, das hat der 37-Jährige schnell gelernt. "Überhaupt ist es erstaunlich, wieviel er inzwischen gelernt hat. Von Donnerstag zu Donnerstag wird sein Deutsch merklich besser", sagt Paschke voller Bewunderung. Außerdem sehen die Kameraden, dass es Farhad ernst meint. Er kommt regelmäßig, pünktlich und gibt sich große Mühe. Bei Gesprächen nimmt er, wenn nötig, ein Übersetzungsprogramm auf dem Handy zur Hilfe, bei Schulungen macht er sich Notizen: "Hohlstrahlrohr, Schlauchtragekorb, feuerbeständige Kleidung", liest er vom Zettel ab. Und spätestens seit dem Maifest, bei dem er intensiv mit geholfen und gefeiert hat, kann Farhad auf viele Freunde zählen. "Es ist wichtig Leute zu haben, die auch tagsüber hier im Ort sind", sagt Pressesprecher Tobias Lang. Für die Kameraden geht es nicht nur um das Sein, für sie gilt: "Wir wollen Farhad haben!" Weil es sehr schwer ist, eine Wohnung zu finden, haben sich die Feuerwehrleute eingesetzt – und sie waren erfolgreich. Die Familie kann bald eine eigene Wohnung beziehen. Farhad Nasiri kann große Löschzüge lenken, aber den Führerschein muss er hier wohl neu machen, denn wegen unterschiedlicher Technik und Standards wird die Ausbildung in Deutschland nicht anerkannt. Obwohl er mit seinem Fachwissen beim Atemschutz oder als gelernter Höhenretter eine gute Hilfe wäre, darf er noch nicht zu Einsätzen. "Wir haben einfach andere Abläufe", erläutert Lang und ergänzt lächelnd "aber er kann die besseren Knoten." Dass seine Zeugnisse hier nicht anerkannt werden stimmt traurig, aber der Iraner gibt nicht auf. "Bin ich schon zur Ausbildung angemeldet?", fragt er und Paschke telefoniert. Zunächst muss der Neue einen Erste-Hilfe-Kurs besuchen, erst danach kann er die Grundausbildung machen. "Danke Marcus, vielen Dank!", betont Farhad, Paschke schüttelt den Kopf: "Ich kenne keinen Menschen, der sich so oft bedankt." Paschke und Gemeindebrandinspektor James Bennett wollen mit Kreisbrandinspektor Ralph Stühling reden, ob das Anerkennungsverfahren für einen Berufsfeuerwehrmann nicht etwas zügiger voran gehen könne. Und sollte Farhad nicht der einzige im Landkreis sein, so will man anregen, gemeinsame Ausbildungskurse für Flüchtlinge anzubieten, die zur Feuerwehr möchten.